Aufpassen!
Gleich passiert es, ich mache es, gleich mache ich es,
passen sie auf, gleich wird es passieren, da können sie was erleben,
da werden sie staunen, werden sie da, nur noch einen Moment.
Wenn es gleich losgeht, lege ich los.
Erstaunliches habe ich vor, wahnsinnige Effekte ergeben sich, ungewöhnliche Auswirkungen zeigen sich, einiges kommt ihnen spanisch vor, aber das vergeht,
lassen sie mich nur machen, passen sie auf, gleich ist es soweit, was ich mache?
Ich lasse mir nichts mehr vormachen!
Ich werde denken, gleich mach ich das, werde selber denken, aufgepasst,
ja, selber denken, auch vordenken, vorausdenken, auf jeden Fall nachdenken,
sie werden sehen, sie werden erstaunt sein, wenn das und noch mehr passiert,
warten sie, gleich beginne ich, etwas Neues entsteht und
das Resultat kann sich sehen lassen.
Setzen sie sich lieber, gleich beginne ich, sie werden sehen,
werden sagen, da passiert ja nichts, die tut nur so, aber gleich geht es los,
ich lass mich nicht ablenken, denken werde ich, und
sie werden sich an den Händen halten, aufgeregt werden sie sein,
ein Schauer wird ihnen über den Rücken laufen, gleich, gleich denke ich an mich,
sie denken ja zu wenig an mich, denken sie doch mal mehr an mich,
überraschend wird das für sie sein, an mich zu denken.
Ein Zweites…
Ich werde reden, sowas von reden, das wird ganz unerwartet passieren,
da haben sie ihre Freude dran, lassen sie sich überraschen, gleich rede ich.
Hallo, nicht den Kopf schütteln, aufpassen, gleich rede ich, geht gleich los.
Ruhe bewahren, ich mach das gleich, sie werden ihren Augen, ihren Ohren nicht trauen, werden auf die Couch fallen, sich am Stuhl festhalten und sich ins Gewissen reden, verdammt noch mal, das hätte ich nicht gedacht, die macht das.
Sag ich doch, ich rede gleich, nicht über mich, das kann ich nicht,
das geht mir nicht über die Zunge, ich rede über andere, das geht am besten.
Und dann wünschen Sie, auch zu können, wie ich das mache,
sie möchten reden können, reden über andere, wie ich das kann.
Hallo da hinten, nicht so unruhig, etwas Geduld bitte, geht gleich los.
Jetzt also, ich denke still, rede laut, was ich beim Denken gedacht habe,
sie glauben es nicht, was Sie Neues erfahren.
Also, machen sie mit?!
Ich lade Sie ein, keine Sorge, tut nicht weh, nur einen Moment noch,
warten sie, bitte nicht drängeln, alle der Reihe nach,
alle dürfen mitmachen, geht gleich los, ich mach das jetzt,
ich werde denken, ich werde reden, sie werden hören,
was ich gedacht, was ich aufgeschrieben habe,
ach ja, eines noch - Sie - kommen auch drin vor!
(C) Maria Lange-Otto
Gewichtung
Es ist Montag, ich öffne den Briefkasten, eine Postkarte liegt drin.
Eine Freundin schrieb: Bin unterwegs, wenn man mich sucht, ich bin im Wandel.
Ich lache, das passt auch für mich, und klingt gut.
Zeiten der Irrungen und Wirrungen hinter mir liegen, meine Trauer über Nichterreichtes, über Verlorenes, über Aufgegebenes ist nur noch als Mosaikstein in mir spürbar.
Ich lebe mit meiner Vergangenheit, aber nicht in ihr, bleibe dankbar für Gelebtes.
Der Abschied von fremdbestimmten Aufgaben, von festgelegter Zeit ist endgültig geworden. So lache ich weinenden Auges, entsorge Ballast, richte mich neu aus, aktiviere meine Ressourcen, um Kommendes in den Tagen begrüßen zu können.
Ich spüre, mein Lebenszusammenhang verändert sich, sachte erhält die Waage neue Gewichte, kleinere Gewichte. Einander freundlich gesonnen, schwingt durch sie das Pendel in eine neue Balance, darauf ausgerichtet achtet das Pendel auf das Dazwischen von Morgen und Abend.
Mit Wind und Wellen halten sich meine Gedanken in der Weite auf und die Luft zum Atmen beschützen zwei Hände. Vom Arbeitsleben gezeichnet, geben sie Halt in einem neuen Alltag, sichern meine Freiheit mit leichtem Druck.
Unserer Zeit lassen wir Zeit, nehme mit Gottvertrauen an, was kommt und gestalten den Tag. Zeitvergeudung gibt es nicht, denn alles braucht so lange, wie es muss.
Die Karte habe ich mir selber geschrieben, schon vor einiger Zeit, ich lege sie in Briefkasten zurück, denn ich war unterwegs, im Wandel unterwegs.
(C) Maria Lange-Otto
Remember
Einsteigen, bitte einsteigen, ruft es aus dem Bahnhofslautsprecher am Gleis.
Im Wagon sucht man noch seinen reservierten Platz, da setzt sich der Zug schon in Bewegung. Der Fensterblick hilft, Ruhe stellt sich ein, fast zu schnell fallen die Augen zu.
Nicht noch einmal wird es das werden, was es damals gewesen war, wird ihr geschenkt, was ihr damals gegeben wurde, wird sie haben können, was sie damals lebte mit denen, die wichtig waren.
Eine Reise in die Vergangenheit tut nicht wirklich das, wofür sie gedacht ist, dass man sie macht. Sie reist dorthin, wo alles so war, wie es jetzt nicht mehr ist, nicht mehr sein kann, und hofft, dass es vielleicht, ja vielleicht doch so fühlbar wird, wie es damals gewesen war. Vergebene Liebesmüh! Sie weiß das, aber meint sich stark, liefert sich dem aus, fährt dorthin, wo es gut war. Etwas, nur etwas von damals möchte sie zurückgewinnen, dem Ausgeträumten wieder ein Herz einsetzen, dem Nichtmehr etwas zurückgeben für ein Leben mit ihnen. Doch, da ist so viel passiert in den Jahren. Gelegen zwischen damals und vorgestern musste sie viel aushalten. Ihr Heute lebt damit, erinnert sie, kann noch immer Stiche in ihr Herz setzen. Die Gedanken an damals reisen mit, lassen den Puls höherschlagen. Die Erwartung in ihr glaubt fest an unverhoffte Wiederholungen, nur einen Rückblick tun, einen Rückgriff auf Damals wagen, das könnte doch, sollte doch möglich sein?
Der Boden der Tatsachen schickt ein klares Nein. Sie überhört das, will dem nicht glauben, die Reise soll nicht umsonst gemacht werden. Denn was passiert mit den zurückliegenden Bildern im Kopf, den nicht festzuhaltenden Gefühlen im Sinn, dem nie wiederkehrenden Lachen der Tage von damals? Sie wird die leere Chance ergreifen, die Bilder festhalten. Die Bilder, die auf Knopfdruck da sind, die sich hinter den Stirnfalten querlegen, schön wie Gold machen sie den Tag oft schwer wie Blei. Kaum zu beschreiben, wie damals alles war, und trotz der Zerrissenheit der vergangenen Ereignisse blitzen die Bilder im Blickfeld des inneren Auges auf, Bilder, die nichts mehr vom Damals, vom Früher, vom Gestern zurückgeben können, die wundervoll erdacht und hergerichtet den unerlaubten Platz in der Zukunft wünschen. Sie legen ein auswegloses Gedankenspiel frei, was wäre wenn …? Vielleicht wäre da gar nichts besser, vielleicht nur anders als gestern oder vorgestern, ja vielleicht.
Nicht darüber nachdenken, denkt sie und fühlt sich schon knietief im Gedankennebel, stellt sich auf die Zehenspitzen, möchte über die Nebelwand den Rückblick tun zur damaligen Reise mit Familienglück und sieht … nichts! Nebel, überall Nebel, aus den schweren Tagen der letzten Jahre zusammengesetzt, schluckt er vieles, ein Zukunftsblick ist nicht erlaubt. Nein, alles nicht gut für mich, das schmerzt,
denn wer bin ich ohne meine Geschichte?
(C) Maria Lange-Otto